Wie teilen sich die Weiterbildung und die berufliche Grundbildung die Zukunft?


Vor Kurzem habe ich zusammen mit Irena Sgier und Sabin Müller sowie unter Mitarbeit von mehreren engagierten Fachpersonen den dritten TRANSIT-Trendbericht «Immer flexibler – immer besser?» publiziert. Darin diskutieren wir gesellschaftliche Entwicklungen und ihre Implikationen für die Weiterbildung der Zukunft. Aus dieser Diskussion über Flexibilisierungstendenzen leiten wir drei zentrale Perspektiven als Orientierungspunkte für die künftige Gestaltung der Weiterbildung ab. Diese sind «Vielfalt und Diversität», «Sinnhaftigkeit und Mitbestimmung» sowie «Komplexität».

Fast zeitgleich zum TRANSIT-Trendbericht ist ein Buch erschienen, das sich ebenfalls mit der Zukunft der Bildung und des Lernens auseinandersetzt. In «Ein Handwerk studieren oder die Revision der Berufsbildung» beschreibt Philipp Gonon, emeritierter Professor für die Berufsbildung an der Universität Zürich, die künftigen Herausforderungen für die berufliche Grundbildung, die sich aus gesellschaftlichen und technologischen Trends ergeben. Gonon formuliert dabei in einem zusammenfassenden Beitrag für die Zeitschrift «Transfer» vier Hauptbereiche, in welchen er Bedarf für die Weiterentwicklung der beruflichen Grundbildung sieht, damit diese zukunftsfähig bleibt. Die Berufsbildung sollte demnach grüner, hybrider, noch durchlässiger und inklusiver werden (https://transfer.vet/zur-kritik-der-berufsbildung-oder-berufsbildung-als-bildung/).

Die TRANSIT-Perspektiven und Gonons Vorschläge für eine Revision der Berufsbildung überschneiden sich in wesentlichen Punkten. Dies kommt nicht von Ungefähr. Denn die Weiterbildung und die berufliche Grundbildung haben aus der Perspektive künftiger Herausforderungen eine Gemeinsamkeit, die für beide Bereiche von überragender Bedeutung ist. Sowohl die Weiterbildung als auch die berufliche Grundbildung sind in einen gesellschaftlichen Kontext eingebettet und der gesellschaftliche Wandel beeinflusst sie gleichermassen. Grosse Tendenzen gesellschaftlicher Entwicklungen dürften deshalb auch ähnliche Zukunftsfragen aufwerfen und ähnliche Herangehensweisen zur Lösung von anstehenden Problemen erfordern.

Eine wesentliche Überschneidung zwischen den TRANSIT-Perspektiven und Gonons Vorschlägen für die zukünftige Entwicklung der beruflichen Grundbildung besteht in der Betonung einer noch stärkeren Integration von unterschiedlichen Lebensentwürfen in der beruflichen Grundbildung sowie in der Weiterbildung. «Mit spezifischen Modulen und vielseitigen Validierungsverfahren können Quereinstiege und Weiterbildungen für Erwachsene möglich gemacht und vor allem auch vereinfacht werden», schreibt Gonon in der Zeitschrift Transfer. TRANSIT betont, dass die Akteure der Weiterbildung davon ausgehen können, dass die Vielfalt und Diversität an Lebensentwürfen und Motivationen für die Teilnahme an Weiterbildung weiter an Bedeutung gewinnen werden. Deshalb soll die Weiterbildung vielfältige Zugänge zum lebenslangen Lernen schaffen.

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den beiden Publikationen besteht darin, dass sie die vielen Möglichkeiten hervorheben, die aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen bezüglich Bildung und Lernen im individuellen Lebensentwurf entstehen. In der beruflichen Grundbildung wurde in den letzten Jahrzehnten die Durchlässigkeit deutlich erhöht, wobei die Mobilität gemäss Gonon zusätzliche und neue Möglichkeiten und Laubahnoptionen eröffnet. Kritisch merkt Gonon deshalb an, dass bisher die Durchlässigkeit teilweise nur auf dem Papier bestehen würde. Die Berufsbildung sowie die Weiterbildung müssen entsprechend den Bedürfnissen von Lernenden nach einem individualisierten Lernweg noch stärker gerecht werden.

Als dritte gemeinsame Zukunftsperspektive formulieren die beiden Publikationen eine verstärkte Förderung der Verbindung von Wissen und Fertigkeiten aus verschiedenen Bereichen. Unter einer hybriden Berufsbildung versteht Gonon eine Bildung, die verschiedene, oft unterschiedliche Ansprüche zusammenzubringt. Sie ermöglicht es dem Einzelnen, sich auch in einer sich rasch wandelnden Arbeitsumgebung zu behaupten. Auch wir sehen darin eine Grundlage für den Umgang mit zunehmender Komplexität.