Je unsicherer die Zukunft, desto emsiger die Suche nach der «Zukunftskompetenz». Der Trendbericht Future Skills (Buchs 2025) präsentiert Denkarbeit zu diesem Thema. Etwa Kriterien, um die zahlreichen in Umlauf befindlichen Kompetenz-Konzepte zu beurteilen. Für Weiterbildungsakteur:innen lohnt es sich sehr, den Bericht zu studieren. Und vielleicht der Frage nachzugehen, welchen Wertbeitrag denn Kompetenz-Konzepte für das Lernen bringen.
Analytischer Blick auf die Kompetenzdiskussion
Der Bericht beginnt mit begrifflichen Überlegungen. Er ordnet geläufige Kompetenz-Konzepte (Kompetenzrahmen) aus sozialwissenschaftlicher Sicht ein. Und fragt nach den ihnen zugrunde liegenden normativen Grundlagen, latenten Zukunftsbildern, Machtstrukturen und Diskursen. Diese nehmen direkt oder indirekt Einfluss auf Bildungswege, Lernziele und Leistungsbeurteilungen.
Keineswegs banal ist die Feststellung, dass es in einer Zeit der Umbrüche nicht bloss adaptives, sondern auch gesellschaftlich-transformatives Lernen braucht (S. 12 f.). Zu oft dominieren defizitorientierte Lernkonzepte, die bloss dem rasanten Wandel nacheifern. So beklagt die OECD in einem neuen Papier, dass die Erwachsenenbildung gerade jene Skills vernachlässige, die «in the race for talent and economic growth» doch so dringend benötigt würden (OECD 2025).
Der Vergleich ausgewählter Kompetenzrahmen (S. 8 f.) zeigt einen Wildwuchs an Ad-hoc-Kategorisierungen, die sich oft weder um theoretische Fundierung noch um ihre normativen Prämissen kümmern. Um aber für die Erwachsenenbildung «strukturierte Orientierung» (S. 22) zu bieten, müssten Kompetenzrahmen begrifflich konsistent, reflektiert, taxonomisch anschlussfähig und empirisch evident sein. Und nicht nur «offen und flexibel definiert», wie der Bericht (S. 11) – zu vorsichtig – formuliert.
Dass viele Konzepte dies nicht leisten, hat auch mit der Bildungsforschung zu tun: mit dem Fehlen von empirischen Anforderungs- und Wirkungsanalysen. Breit angelegte Forschungslinien zu Qualifikationstrends in Branchen und Berufsfeldern (z.B. im deutschen Netzwerk freQuenz) sind nach 2010 leider eingestellt worden. Untersucht werden heute vor allem Anforderungen der Digitalisierung (z.B. Umbach et al. 2020; Buchmann & Buchs 2025), was den Untersuchungsfokus enger macht.
Vom Wertbeitrag kompetenzorientierter Bildung
Folgerichtig lädt der Trendbericht die Weiterbildung dazu ein, nicht auf einen ultimativen Kompetenzrahmen zu setzen, sondern sich mit Kompetenzbegriffen kritisch zu befassen und zusammen mit den Zielgruppen die für ihren «Lebens- und Arbeitskontext» entscheidenden Future Skills zu eruieren (S. 23 f.).
Dabei zählt nicht in erster Linie der Marktwert, den Anbieter oder Absolvent:innen von Weiterbildung mit neuen Kompetenz-Etiketten erzielen können; sondern der Wertbeitrag, den eine konsequent kompetenzorientierte Bildung für das Lernen von Einzelnen, Organisationen und Gesellschaften leisten kann. Ihr Wertbeitrag resultiert aus dem Zusammenspiel von bedarfsgerechten Kompetenzzielen, damit abgestimmten Curricula und vor allem der gesellschaftlichen Anerkennung von Outcomes. Es ist somit nach der «Bildungswertschöpfung» zu fragen (vgl. Schöni 2017; 2022). In ihrem Wirkungsgefüge sind Kompetenzen nur ein Faktor, wenn auch ein entscheidender.
Über Walter Schöni
Walter Schöni, Dr. phil., ist Bildungssoziologe und arbeitet in den Bereichen berufliche Weiterbildung, Personalentwicklung und Bildungsmanagement. Er lebt in Basel.
Literatur:
Buchmann, Marlis & Helen Buchs, 2025. Trends in skill demand and labor market outcomes: The role of digitalization. In Róbert, Péter & Ellu Saar (Eds.), Handbook on Education and the Labour Market. Cheltenham: Edward Elgar Publishing
OECD, 2025. What’s Missing in Adult Learning — and How Do We Fix It? Adult Skills in Focus #14
https://www.oecd.org/en/publications/what-s-missing-in-adult-learning-and-how-do-we-fix-it_58b9acfd-en.html (gesehen 03.09.2025)
Schöni, Walter, 2017. Bildungswertschöpfung. Zur politischen Ökonomie der berufsorientierten Weiterbildung. Bern: hep Verlag
Schöni, Walter, 2022. Continuing education as value creation. Towards a new orientation beyond market logic. European Journal for Research on the Education and Learning of Adults, 13(3), 261-283. https://doi.org/10.3384/rela.2000-7426.3694 (gesehen 03.09.2025)
Umbach, Susanne, Haberzeth, Erik, Böving, Hanna & Glaß, Elise, 2020. Kompetenzverschiebungen im Digitalisierungsprozess. Veränderungen für Arbeit und Weiterbildung aus Sicht der Beschäftigten. Bielefeld: wbv Publikation