Werkstattbericht TANSIT Salon vom 7. März 2023: Flexibilisierung


Der Think Tank TRANSIT fokussiert seit mehr als einem Jahr auf das Thema Flexibilisierung. Nun haben wir zusammen mit Experten und Expertinnen den dritten Trendbericht erstellt. Als Abschluss des Themas lud der Think Tank TRANSIT öffentlich zum Salon «Flexibilisierung: Perspektiven für die Weiterbildung» ein. Der Event fand am 7. März 2023 in der Wirtschaft zum Transit in Zürich statt.

Im Salon hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, Perspektiven und Fragen zum Thema Flexibilisierung mit Blick auf die eigene Praxis zu diskutieren und zu reflektieren. Sie konnten über Entwicklungen nachdenken, Herausforderungen und Chancen diskutieren sowie nach Beispielen einer «best practice» suchen. Darüber hinaus bot die Veranstaltung die Gelegenheit sich zu vernetzen und auszutauschen.

Zusammenkommen im TRANSIT

Der Think Tank TRANSIT erhielt seinen Namen wegen seiner Grundidee: Er soll einen denkerischen Freiraum schaffen, wo Grenzverschiebungen, Widersprüchlichkeiten der aktuellen Situation und gemeinsame Lösungsansätze diskutiert werden können. Mit der Wirtschaft zum Transit haben wir in Zürich Altstetten ein Lokal gefunden, das – in einem anderen Kontext – mit ähnlichen Ideen agiert. Aus einem Essensstand in einem Ford Transit ist nämlich vorübergehend ein Lokal entstanden, das mit kreativen Mitteln gestaltet und betrieben wird. Hier finden wir eine inspirierende Umgebung und können unseren Ideen und Gedanken freien Lauf lassen.

Der Trendbericht: Grundlage für die Diskussionen

Helen Buchs, Co-Leiterin von TRANSIT, präsentiert die zentralen Punkte des dritten Trendberichts. Zuerst werden zentrale gesellschaftliche Entwicklungen in den Bereichen «Lebensentwürfe», «Arbeitswelt» und «Wissensquellen» skizziert, die weitgehend auf einer Verschiebung hin zu postmaterialistischen Werten wie Individualisierung, Selbstbestimmung oder Sinnhaftigkeit beruhen. Anschliessend leitet die Referentin daraus drei übergreifende Perspektiven für die Weiterbildung ab. Diese sind «Vielfalt und Diversität», «Sinnhaftigkeit und Mitbestimmung» und «Komplexität». Die Präsentation schafft somit ein gemeinsames Verständnis für die anschliessenden Diskussionen, wo wir mit diesen Perspektiven arbeiten.

Die drei Perspektiven regen nicht nur an, über Chancen und Herausforderungen nachzudenken, sie tangieren auch die aktuelle und zukünftige Praxis der Weiterbildung. Entsprechend widmen wir uns in Gruppendiskussionen jeweils der Umsetzung einer Perspektive in die Praxis und tauschen uns über sich ergebende Chancen sowie erwartete Schwierigkeiten aus.

Diskussion 1: World-Café über Vielfalt und Diversität

In einem World-Café – einer Workshop-Methode – lernen die Teilnehmenden voneinander verschiedene Sichtweisen auf das Thema Vielfalt und Diversität kennen, hinterfragen und diskutieren. Dabei scheint Vielfalt und Diversität allen Teilnehmenden ein Anliegen zu sein. Grundsätzlich sehen sie viele Chancen darin, Vielfalt und Diversität noch konsequenter zu berücksichtigen.

Jedoch geben die Teilnehmenden auch zu bedenken, dass die konkrete Umsetzung Herausforderungen birgt. Im Arbeitsmarkt sei beispielsweise Vielfalt und Diversität oft wenig ausgeprägt. Die arbeitsmarktbezogene Weiterbildung habe kaum Einfluss darauf und sei teils mit homogenen Teilnehmergruppen konfrontiert. Weiter könnte es mit steigender Vielfalt in der Weiterbildung schwieriger werden, gemeinsame Lerninhalte zu vermitteln.

Bei Aufnahmeverfahren in Weiterbildung sehen einige Teilnehmende jedoch grosses Potential. Wenn weniger Prüfungen oder Zertifikate vorausgesetzt, dafür aber vermehrt der Mensch mit seinen Kompetenzen in den Mittelpunkt gerückt würde, liesse sich die Vielfalt und Diversität zu Gunsten von heute oft noch ausgeschlossenen Gruppen und Lebensmustern erhöhen.

Diskussion 2: Mini-Fishbowl über Sinnhaftigkeit und Mitbestimmung

Für den Mini-Fishbowl platzieren wir zwei Stühle jeweils für die Chancen und die Herausforderungen von Sinnhaftigkeit und Mitbestimmung in der Mitte eines Halbkreises. Wer darauf Platz nimmt, kann die entsprechenden Positionen vertreten. In den angeregten Diskussionsrunden wird deutlich, dass Sinnhaftigkeit und Mitbestimmung für die zukünftige Praxis der Weiterbildung in etwa so viele Chance wie Herausforderungen bringen. Einzelne Teilnehmende vertreten vehement die eine oder andere Sichtweise und lassen sich entsprechend immer wieder auf dem gleichen Stuhl nieder. Andere Teilnehmende hingegen sehen für sich sowohl Chancen als auch Herausforderungen.

Als Chancen nennen die Teilnehmenden vor allem Folgendes: Die Nähe zu den Bedürfnissen der Lernenden, die Stärkung von Vertrauen in die eigene Wahrnehmung, ein Empowerment der Lernenden und das Wecken von Interessen. Zustimmung erhält insbesondere eine Wortmeldung, die die Aufgabe von Mitbestimmung darin sieht, dass sie Orientierung schafft und damit Sinn kuratiert.

Auf der Gegenseite kommen Bedenken über die Praktikabilität von Sinnhaftigkeit und Mitbestimmung auf, weil deren Umsetzung sehr aufwendig, kostenintensiv und oft nicht mit engen Zielvorgaben vereinbar sei. Im Gegensatz zum Empowerment birgt, so ein Konsens unter den Teilnehmenden, die Fokussierung auf Sinnhaftigkeit und Mitbestimmung auch die Gefahr, dass sie Personen ausschliesst. Denn im Alltag oder am Arbeitsplatz können viele Gruppen kaum gestalten oder nach Sinnhaftigkeit suchen und werden entsprechend durch diese Perspektiven nicht angesprochen.

Diskussion 3: Silent discussion über Komplexität

Auch ohne Worte gelingen spannende Unterhaltungen. In einer silent discussion schreiben und skizzieren Teilnehmende ihre Ideen und Argumente zur Perspektive «Komplexität». Unser grosses, über mehrere Tische gespanntes Tischtuch ist schnell vollgeschrieben und mit Zeichnungen geschmückt. Die Voten auf dem Tischtuch lassen erahnen, dass der Umgang mit Komplexität und ihre Reduktion in der Praxis der Weiterbildung kein einfaches Unterfangen ist. Viele Kommentare werden ihrerseits mehrfach kommentiert. Und Pfeile zwischen mehreren Meldungen verdeutlichen die Verstrickungen zwischen den verschiedenen Chancen und Herausforderungen.

Gemäss den Teilnehmenden bietet Komplexität die Chance auf eine differenzierte Betrachtungsweise und lässt Raum für individuelle Interpretations- und Lernmuster. Sie fordert heraus, weiterzudenken und Zusammenhänge zu erkennen, was in einer flexibilisierten Welt besonders wichtig erscheint.

Komplexität kann aber auch überfordern. Gelingt es den Lehrenden nicht, Komplexität zu reduzieren, kann die Überforderung zu einem Ausschluss von Lernenden führen, die mit der Komplexität nicht gut umgehen können. Die Teilnehmenden halten auch fest, dass Komplexitätsreduktion oft nötig sei, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Manche warnen aber auch vor den Tücken der Unterkomplexität und plädieren dafür, Komplexität auszuhalten, statt sie zu reduzieren.

Zukunfts-Grüsse nach Hause und Vernetzung beim Apero

Das Programm des Salons soll nicht nur aus «Arbeit» wie Präsentation und Diskussionsrunden bestehen. Auch der informelle Austausch und die Vernetzung dürfen nicht zu kurz kommen. Beim leckeren und reichhaltigen Apero lassen wir den Abend ausklingen. Es bilden sich mehrere Gruppen, wo Themen der Zukunft von Weiterbildung angeregt weiterdiskutiert werden. Kontaktangeben werden getauscht.

Damit sich alle bald nochmals an die Veranstaltung erinnern, schreiben die Teilnehmenden eine von TRANSIT eigens für die Veranstaltung gestaltete Postkarte an eine andere im Salon anwesende Person. Das TRANSIT-Team dankt allen Teilnehmenden für den inspirierenden Abend.

Ausblick

Der dritte TRANSIT-Trendbericht wird im Anschluss an die Events aller drei Sprachregionen überarbeitet und im Frühjahr 2023 als Abschluss des Fokus-Themas Flexibilisierung publiziert. Bereits läuft eine Umfrage über die Wahl des neuen Fokusthemas. Dieses wird noch im April 2023 bestimmt und wird danach die Arbeit des Think Tanks prägen.



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